Kurze
Begründung zum Aufruf, Text erschienen im "Hunsrückspiegel"
am 31.8.2013
Über
die Qual der Wahl (oder auch die Wahl der Qual)
Am 22.
September also sollen wir abermals darüber abstimmen, welche
Parteienkoalition als Bundesregierung in den nächsten Jahren
die Richtung vorgibt. Doch haben wir überhaupt eine Wahl? In
meinen Artikeln der letzten zwei Jahre habe ich versucht, die Kompetenz
deutscher Parteien anhand einiger politischer Kernthemen darzustellen.
Ergebnis: Es gibt keine Partei, die auch nur ansatzweise mit einer
schlüssigen Strategie gegenüber den großen Problemen
der Zeit aufwarten könnte. Meist sind sie eher die Mitverursacher
dieser Probleme. Kaum ein informierter Wähler geht noch überzeugt
zur Urne, sondern nur noch aus staatsbürgerlicher Pflichterfüllung.
Noch nie waren die Bundestagswahlen derart quälend wie in diesem
Jahr. Das kleinere Übel ist nicht mehr zu entdecken. Die Regierungsparteien
verschachern nach und nach alle bürgerlichen Bewegungsspielräume
und ermutigenden Zukunftsperspektiven. Hinter anders lautendem Gerede
beschützen sie nicht das Volk, sondern die mächtigen Strukturen
im Land, und die Oppositionsparteien vermögen dagegen nur zu
stänkern.
Die CDU, ein Haufen phantasieloser Zauderer, setzt voll auf ihren
einzigen Trumpf, auf Frontfrau Angela Merkel. Diese wartet mit Äußerungen
eigentlich immer nur ab, bis die Hauptwindrichtung fest steht. So
ist ihr Banner ständig gebläht, und man nennt dies dann
Entschlossenheit und konstant solide Politik. Ihr bewunderter Machtwille
ist nur eine Mischung aus endlos großer Wiederholungsbereitschaft
von Phrasen und Floskeln und Sturheit. Da muss selbst der klügste
Gegner kapitulieren. Merkels Großspurigkeit verschleiert ihre
zukunftspolitische Feigheit, und ihre zahnlosen Gegner verschleiern,
dass diese Person zur Staatsführung völlig ungeeignet ist.
Wer Merkel Mutti nennt, sollte dies aber bitte mit zusammengebissenen
Zähnen aussprechen. Den Schwachen der Gesellschaft bleibt nach
8 Jahren Merkel nur Resignation, und den Intellektuellen nur zynischer
Fatalismus.
Die SPD ist die Partei der Verlierer. Den Kopf noch in den Wolken
steht sie unten tief im Sapsch. Angela Merkel hat ihr einfach einen
Teil der sozialdemokratischen Begrifflichkeiten geklaut, ohne Inhalte
aber inklusive der Wähler. Die leeren Wahlkampfsprüche der
SPD-Prominenz wirken absurd und erinnern irgendwie an das laute Pfeifen
kleiner Jungen im dunklen Wald.
Die FDP ist die Partei zum Umbau der Volkswirtschaft in einen Mechanismus
zur Profiterbringung, zum Vorteil weniger und zum Schaden des Restes.
Bisher konnte sie sich erfolgreich hinter den beiden edlen Fassaden
"marktwirtschaftlich" und "liberal" verstecken.
Offensiver noch als die CDU nimmt sie die Zerstörung natürlicher
Lebensgrundlagen als Mittel zum Zweck in Kauf.
Die Linke ist die neue SPD. Ihr Programm besteht weitgehend aus Umverteilung
und Subventionierung sozial Schwacher. Gern wird das Feindbild des
profitorientierten Unternehmers gepflegt, der die Belegschaft ausnutzt.
Auch hier fehlen Überlegungen zu einem neuen Wirtschaftssystem,
welches einerseits den sozial Schwachen dauerhaft eine gute und auskömmliche
Arbeit ohne die Notwendigkeit staatlicher Almosen bereitstellt, und
andererseits jene unternehmerische Tätigkeit als Leistung anerkennt
und honoriert, die den Menschen, der Region und der Bewahrung der
Zukunft dient.
Die Grünen gelten noch immer als Ökopartei, obwohl ihr Programm
im Prinzip auch nur subventionieren will. Ja selbst sie haben keinerlei
Plan für ein wirklich nachhaltiges Wirtschaftssystem. Es reicht
nicht aus, umweltschädliche Produkte, Anlagen und Prozesse lediglich
gegen etwas weniger umweltschädliche zu tauschen. Grüne
waren früher einmal eine Hoffnung gegenüber der fatalen
Gewohnheit der Altparteien, kurzfristige Vorteile wirtschaftlicher
Aktivität stets einem langfristigen Nutzen vorzuziehen. Heute
faseln die meisten Mitglieder und Stammwähler gern von "grünem
Wachstum" und bewegen sich lieber im Warmen des gewohnten und
bio-light aufgehübschten Konsums.
Was also wählen? Piraten und AfD kann man schnell vergessen,
ebenso die Kleinst,- Satire- oder EinThemaParteien.
Und gar nicht wählen gehen? Dafür plädierte beispielsweise
der Sozialpsychologe Harald Welzer im Spiegel. Er fragte, was denn
heute das kleinere Übel sei im Vergleich wozu. Welzer: Parteien
entscheiden nicht nach Vernunft, sondern vertreten den letzten Mist
aus den eigenen Reihen und verdammen den klügsten Ansatz von
außerhalb. Mit Gestaltung hat das nichts mehr zu tun. Politikdarsteller
sind völlig austauschbar geworden. Keiner tut das, was notwendig
wäre. Krisen werden verwaltet und mit vergeblichen Rezepten zugehängt.
Keiner hat auch nur das geringste Interesse, etwas wirklich Neues
vorzuschlagen. Es passiert nur reine Pseudopolitik, auf Nebenschauplätzen,
zu Randthemen. Kein großer Wurf, kein genialer Gedanke, nicht
die geringste weiter tragende Perspektive. Dazu Abbau von Staatssouveränität,
zunehmende Fremdbestimmung durch EU-Bürokraten, globale Märkte,
Geheimdienste und Finanzkonzerne, zielloses Kaputtsparen, Wachstum
auf Teufel-komm-raus, Rettung von Investoren auf Sparerkosten. - Wo
unterscheidet sich da die Opposition von der Regierung, außer
in Schattierungen? Von Wahl zu Wahl wird's schwieriger, die am wenigsten
falsche Politik zu finden. Beobachter des Zeitgeschehens erleben als
Wähler den Wahlakt als Beschädigung ihrer selbst. Harald
Welzer meint, irgendwann müsse Schluss sein damit, die eigene
Toleranzschwelle gegenüber dem "kleineren" Übel
immer tiefer zu legen. Damit stabilisiere man nur dauerhaft das Schlechte.
Jetzt sei der Zeitpunkt, sein zähneknirschendes Einverständnis
aufzukündigen und nicht mehr zu wählen.
Jedoch: Wenn ich nicht wähle, kann man es mir auch als Desinteresse
oder Faulheit auslegen. Mit Nichtwählen habe ich keinen Willen
geäußert und keine Botschaft auf den Weg gebracht. Nichtwähler
erscheinen als passive Masse und ohne die Wahrscheinlichkeit, den
Mächtigen einmal in die Quere kommen zu können.
Deshalb bleibt einem verantwortungsbewussten Menschen bei dieser Wahl
im Jahr 2013 nur die dritte Möglichkeit übrig, nämlich
das Ungültig-Wählen. Wenn dies zudem auf eine einheitliche
und vorher abgesprochene Art und Weise geschieht, kann niemand behaupten,
die Wähler seien zu dumm gewesen oder hätten aus Wut, aus
Laune oder im Affekt gehandelt. Vielmehr haben sie ihren starken,
unzweifelhaften Willen ausgedrückt. Sie haben sich aufgerafft
und sind zum Wahllokal gegangen und haben die gleiche Zeit aufgewendet,
wie jeder andere Wähler. Mit der einheitlichen Art der Ungültigmachung
wird ein Wiedererkennungseffekt erzeugt, der sich nach der Wahl sogar
als Charakter einer eindeutigen politischen Bewegung in Prozentpunkten
ausdrücken ließe.
Bei den letzten 11 Bundestagswahlen lag der Anteil ungültiger
Stimmen bei durchschnittlich 1,1 % (vor 1990 darunter und nach 1990
darüber, Spitzenwerte 2005 mit 1,6 % und 2009 mit 1,4 %).
Wenn wir kritischen, zukunftsbesorgten und überparteilichen Staatsbürger
diesen Wert deutlich übertreffen könnten, würde diese
unzweifelhafte Willensbekundung Geschichte schreiben.
In diesem Sinne: Wir haben die Möglichkeit, anlässlich dieser
Wahl aus unserer Region heraus eine eindeutige Botschaft an die große
Bundespolitik zu schicken. Wer mitmacht, hat nichts zu verlieren,
ja er fordert nur eine bessere Politik für sich und vor allem
für seine Kinder. Wenn auch das Wahlergebnis schon jetzt fest
steht, die Wahl würde eine andere sein.
Ich plädiere
also dafür, wählen zu gehen und im Wahllokal QUER über
den Wahlzettel die beiden Worte "NICHT WÄHLBAR" zu
schreiben und sonst nichts, und den Zettel dann wie gehabt in die
Urne zu stecken.
PS: Anfang
September erscheinen alle bisherigen Beiträge, ergänzt um
mehrere ausführliche neue Artikel als E-Book im Internet.
Titel: "Rheinländers Rigoroser Ratgeber zur Bundestagswahl",
ca. 65 Seiten für 2,99 Euro, - für Computer, Lesegeräte,
Tablets und Smartphons. -
Wenns klappt wird obiger Aufruf dann auch über den Hunsrückspiegel
hinaus gehört.