Eigentlich ist der Begriff Marktwirtschaft untrennbar mit dem gegenwärtig
herrschenden ökonomischen System verbunden, so dass er nicht
ohne weiteres, ohne Missverständnisse aufzuwerfen, zur Bezeichnung
einer nachhaltigen Ökonomie verwendet werden kann.
Es scheint deshalb geboten, einen eigenen Namen für das oben
(im Essay) beschriebene Wirtschaftssystem zu finden, in welchem
die Externalisierung von ökologischen und sozialen Kosten ausgeschlossen
bleibt, bzw. in welchem alle erdenklichen Kosten und Auswirkungen
der Produktion in den Produktpreis integriert werden müssen.
Bestehende Definitionen und allgemeines Verständnis
Freie
Marktwirtschaft ist (nach Mühlbradt-Wirtschaftslexikon)
"ein Wirtschaftssystem, in dem Märkte eine überragende
Bedeutung einnehmen. Für eine freie Marktwirtschaft ist u.
a. typisch:
--- Privateigentum ohne Beschränkung,
--- freie Konsumwahl,
--- Wettbewerbsfreiheit,
--- die einzelnen Anbieter und Nachfrager können Produktions-,
Verteilungs- und Konsumentscheidungen selbstständig und unabhängig
voneinander treffen und versuchen, diese auf den Märkten durchzusetzen,
--- Steuerung von Produktion und Verteilung über Märkte
und Preismechanismus
--- Staat greift nicht ein. Er beschränkt sich auf die Garantie
der wirtschaftlichen Freiheiten des Einzelnen und auf die Sicherung
der Wirtschaftsordnung"
Um besondere Härten unter einem völlig freien Spiel der
Marktkräfte für sozial und wirtschaftlich schwache Gesellschaftsmitglieder
zu verhindern, hat der Gesetzgeber in Deutschland nach dem Kriege
für die Bundesrepublik einen sozial ausgerichteten Ordnungsrahmen
geschaffen.
Typisch für dieses Wirtschaftssystem, welches als soziale
Marktwirtschaft bezeichnet wird ist, dass
--- die Wirtschaftssubjekte nur weitgehend, also nicht vollkommen
selbstständig in ihrer Entscheidung sind,
--- nur vorwiegend Privateigentum an den Produktionsmitteln gegeben
ist,
--- der Staat und die Bundesbank in den Wirtschaftskreislauf eingreifen
(Setzung und Durchsetzung von wirtschafts- und sozialpolitischen
Zielen),
--- der Staat das System der reinen Marktwirtschaft um soziale Elemente
ergänzt (z.B. durch die Sozialversicherung, den Kündigungs-,
Mieter- oder Verbraucherschutz).
Seit den 1980ger Jahren taucht in Deutschland noch der Begriff der
ökologischen Marktwirtschaft auf und die Erweiterung
ökosoziale Marktwirtschaft.
Theoretisch müssten in einer ökologischen Marktwirtschaft
auch alle Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten berücksichtigt,
alle möglichen Folgen von Produktion und Konsum in die Endbilanz
mit einberechnet werden. Der Begriff Ökologie ist ursprünglich
eine Wissenschaft innerhalb der Biologie, die sich mit den Organismen
in ihrer natürlichen Umwelt und den Wechselbeziehungen zwischen
diesen beschäftigt. Der Begriff Ökologie leitet sich aus
dem griechischen oikos (Haus) und logos (Lehre) ab: Es ist entsprechend
die Wissenschaft vom Haus, in diesem Sinne vom "Haushalt der
Natur" (Wikipedia.de).
Auf wirtschaftliche Verhältnisse übertragen bedeutet Ökologie
ebenso die Kunst, nachhaltig zu haushalten, so dass nichts zerstört
und alle Wechselwirkungen intelligent berücksichtigt und eingebunden
werden.
Doch der Begriff ökologische Marktwirtschaft ist eigentlich
nie eindeutig definiert worden. Je nach dem, welche Partei oder
Institution ihn für sich beschreibt, fällt das Verständnis
unterschiedlich aus. Durch die jahrelang geführte irrige Diskussion
um die Verträglichkeit von Ökonomie und Ökologie
hat der Begriff ökologische Marktwirtschaft keine Stärke
entwickeln können. Zudem ist er durch die gründliche Verwässerung
des Wortes ökologisch nicht geeignet, einen stabilen und selbstbewussten
Zustand zu beschreiben. Alles Mögliche wurde in den letzten
Jahren, hauptsächlich zu Werbezwecken, als ökologisch
bezeichnet, auch wenn damit eher biologisch, natürlich, gering
belastet oder rustikal usw. gemeint war.
Auch die Ökologische Steuerreform hat zur Entwertung des Wortes
ökologisch geführt. Für fossile Energieträger
ein paar Cent mehr Steuern zu verlangen, die Großindustrie
dabei zu verschonen und die Einnahmen dann der Rentenkasse zu vermachen,
hat mit Ökologie nur sehr entfernt zu tun.
Die
Frage, ob bei der kapitalistischen Marktwirtschaft überhaupt
noch marktwirtschaftliche Prinzipien als oberste Richtschnur gelten,
muss verneint werden. Diese dienen allenfalls noch als Feigenblatt,
um die wahren Motive dieser Wirtschaftsform bzw. ihrer dominantesten
Agitatoren zu verschleiern.
Unser real existierendes Wirtschaftssystem ist bei genauerem Hinsehen
immer stärker von Entscheidungen aus großen Konzernzentralen
geprägt. Multinational tätig und deshalb nicht mehr von
einer einzelnen Staatsordnung abhängig, planen diese Unternehmen
ihre Profite und die zur Erreichung ihrer Ziele nötigen Schritte.
Es heißt nicht mehr: Was ist in den Grenzen der Staatsgewalten
und der Gesetze möglich? Sondern: Was wollen wir und wie bekommen
wir dies, auf welchem Fleck der Erde auch immer, durch?
Es werden Gewinne geplant, wonach die Produktion sich zu richten
hat. Es werden Verluste geplant und Konkurrenten geschluckt, gefressen
oder geschlachtet.
Es werden steigende Aktien geplant und dafür Beschäftigte
entlassen und andere Kollateralschäden in Kauf genommen.
Es wird unablässig das eigene Wachstum geplant, der bessere
Rang in der globalen Hitliste der Größten und Einflussreichsten.
Man braucht billige Energiepreise und bearbeitet dafür die
Politik.
Man braucht willige Politiker und investiert in bestimmte politische
Parteien.
Man akzeptiert keine Unwägbarkeiten demokratischer Prozesse
und sorgt vor mit der Stationierung sprungbereiter Verbandsvertreter
in seriösen Task-force-Büros möglichst nah an der
Regierung sowie in den Entscheidungsgremien öffentlich-rechtlicher
und privater Medien.
Man braucht gierige Konsumenten und entwickelt raffiniertere Werbung
als direkte Verbindung ins Unterbewusstsein.
Man liefert mehr Brot -, pardon Kuchen -, und Spiele für die
Massen und verkauft dies als Wohlstand.
Man dringt immer tiefer in jedermanns Alltag ein, plaziert dort
Moden und Vorlieben, Süchte und Zwänge, Trojaner und Lügen,
wohlverschleiert, profitsichernd und vom Betroffenen als eigener
Wille empfunden, und wird schließlich zum Gestalter der Zukunft.
Hauptmerkmal dieser Ökonomie wird bald das restriktive Entscheiden
von oben herab sein, die schleichende Auflösung des Nachfragefaktors
und das weit gehende Entkoppeln des Angebots von den eigentlichen
menschlichen Bedürfnissen. Diese Ökonomie braucht keine
Mauer aus Beton, sondern verhindert jede Flucht wesentlich effektiver
mit vielen kleinen Mauern in den Köpfen.
Das entscheidende Kriterium beim Kapitalismus ist am ehesten mit
dem obersten Prinzip einer Planwirtschaft verwandt. Auch
hier werden Produktion und Konsumtion zentral geplant. In den früheren
sozialistischen Staaten Osteuropas war die Vorüberlegung einer
Wirtschaftsplanung, zumindest theoretisch, die Versorgung der Bevölkerung.
Im Kapitalismus ist die erste Vorüberlegung einer jeden Planung
die Aussicht auf Gewinne.
Beleidigen wir also nicht weiter die Idee der Marktwirtschaft und
bezeichnen unser gegenwärtiges ökonomisches System als
das, was es ist, nämlich als kapitalistische Planwirtschaft.
Die kategorische Marktwirtschaft
Eigentlich
würde das Wort Marktwirtschaft allein und ohne Zusatz zur
Bezeichnung der unter Kapitel 8 (Essay) beschriebenen nachhaltigen
Wirtschaftsform genügen. Die Einbeziehung aller Produktionskosten
in den Preis eines jeden Produkts sollte in der Marktwirtschaft
die Normalität sein. Erst dies führt zum vollständigen
Endpreis, welcher am Wettbewerb teilnimmt. Erst durch die Einbeziehung
auch der bisher externalisierten Kosten in den Preis, bekommt
die Relation Angebot und Nachfrage menschenverträgliche Bedingungen.
Doch das Wort Marktwirtschaft ist besetzt. Es bedeutet heute das
gleiche wie Kapitalismus, und seine Benutzung würde zu Missverständnissen
führen.
Auch der Begriff -wahre Marktwirtschaft- wäre nicht
aussagekräftig genug, wenn er auch das Vorhandensein einer
unwahren Marktwirtschaft, also des Kapitalismuses, impliziert.
Selbst die Wortkombination -konsequente Marktwirtschaft-
erscheint zu schwach und unpräzise, obwohl das hohe Maß
an Konsequenz ein Hauptmerkmal dieser, sämtliche Kostenexternalisierungen
ausschließenden, Marktwirtschaft darstellt. Das Aufweichen
einer durchgängigen Konsequenz, etwa durch Subventionierungen
wie oben beschrieben, führt zum Eintritt in die kapitalistische
Planwirtschaft und zu Krisen mit Massenarbeitslosigkeit und Umweltzerstörung.
- Hier fehlt dann jegliche Ethik, es herrscht Egoismus und Betrug.
Es besteht also zur Erhaltung der Marktwirtschaft und zur Wahrung
von Gerechtigkeit unter den Individuen innerhalb der Marktwirtschaft
die unabdingbare Notwendigkeit zu einer weitgehenden Ethik
des wirtschaftlichen Handelns.
Die schlüssigste Begründung der Notwendigkeit einer
Ethik ist ohne Zweifel der Kategorische Imperativ von Immanuel
Kant. Im Jahr 2004 jährte sich der Todestag des Philosophen
zum 200ten Mal.
Sein Satz :
--Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich
wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde -
oder:
--Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung zum allgemeinen
Naturgesetze werden sollte -
oder:
--Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich
als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne -.
heißt deshalb Kategorischer Imperativ,
weil er nicht widerlegt werden kann und die Notwendigkeit einer
weitgehenden Ethik für alle Menschen beweist. Der Kategorische
Imperativ ist gewissermaßen die Quintessenz von Kants Analysen
der unter allen Menschen herrschenden Moralvorstellungen.
Ähnlich ist es mit der beschriebenen Marktwirtschaft:
Die Notwendigkeit, eine jede Form von Kostenexternalisierung in
der Wirtschaft auf Dritte oder in die Zukunft zu unterbinden,
ist nicht abstreitbar. Niemand kann jemals offiziell das Recht
bekommen, sich auf Kosten oder zum Schaden anderer zu bereichern.
Niemand würde wirklich wollen, dass die Maxime der Ausbeutung
allgemeines Naturgesetz werden sollte.
Deshalb sei hiermit die Marktwirtschaft, wie sie unter RestmuellNet
verstanden wird, eine Marktwirtschaft, die Kostenexternalisierungen
bei der Produktion nicht zulässt, bzw. die Internalisierung
sämtlicher Produktionskosten in den Preis des Produkts zwingend
vorschreibt, Kategorische Marktwirtschaft genannt.
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