Zum
Begriff Zukunftsforschung/Futurologie
Den
Begriff Futurologie prägte erstmals der Politikwissenschaftler
Ossip K. Flechtheim im Jahre 1943. Ihm schwebte dabei
eine Verbindung aus Voraussage, Planungswissenschaft
und Philosophie der Zukunft, d.h. philosophische Kritik
an Ideologien und Utopien, also ein möglichst umfangreiches
Vorausdenken möglicher Bedingungen in der Zukunft
vor.
"Die zentrale Funktion sah der Vater der Futurologie
darin, die Aufgaben zu definieren, die für den
Übergang der ganzen Menschheit in eine lebenswerte
Zukunft bewältigt werden müssen: An erster
Stelle gilt es, den Krieg aus der Welt zu schaffen und
Frieden zu etablieren. Sodann muss der Mensch das Bevölkerungswachstum
in den Griff bekommen und den Hunger und die Armut vor
allem in Entwicklungsländern beseitigen. Weiter
ist es nötig, die Naturzerstörung und den
Raubbau zu beenden. Innerhalb der Gesellschaft muss
die Ausbeutung überwunden werden, die Staaten sollen
sich demokratisch und frei von Unterdrückung entwickeln
können. Und nicht zuletzt setzt Flechtheim das
Ziel, die Sinnentleerung der Moderne zu überwinden,
damit sich der Mensch zu einem kreativen und humanen
Wesen entwickeln kann." (Bibliographisches
Institut & F. A. Brockhaus AG, 2006)
Trotz
der sehr umfangreichen Ursprungsdefinition, die mehrere
Fachwissenschaften wie Nationalökonomie, Soziologie,
Politologie, Naturwissenschaften und Technik berührt,
entwickelte sich neben dem eher humanistischen Verständnis,
wie sollte es in einer ökonomisch dominierten Welt
auch anders sein, der eher gegensätzliche technikzentrierte
Ansatz als dominant heraus.
Fälschlicherweise wird der Ursprung der Futurologie
diesbezüglich auch gerne der RAND Corporation,
eines "Think Tanks" in Kalifornien zuerkannt.
Dort begann man um 1948 umfangreiche aber keineswegs
umfassende Zukunftsforschung zu betreiben. Ursprünglich
nur als Einrichtung der US-Luftwaffe, als Forschungseinrichtung
für Waffensysteme, moderne Kriegsführung und
internationale Beziehungen, also rein militärisch
konzipiert, kümmerte sich die RAND darüber
hinaus noch jahrzehntelang lediglich um die eindimensionale
Frage nach der zukünftigen technologischen Entwicklung.
Angespornt durch Erfindungen wie Transistor und Computer
und die in Aussicht gestellten ungeahnten technischen
Möglichkeiten entwickelte sich dieser Zweig der
Futurologie zusammen mit dem darauf basierenden Fortschrittsglauben
euphorisch bis in die 1960er Jahre.
Dann,
in den 1970er Jahren kam der große Dämpfer.
Die erste Energiekrise und ernüchternde Arbeiten
zur Technikfolgenabschätzung relativierten viele
Prognosen. Bis zum Ende des 20sten Jahrhunderts machte
sich eine allgemeine und von unvorhergesehenen globalen
Entwicklungen getragene Skepsis breit, und die Düsterniss
am Beginn des neuen dritten Jahrtausends erinnert unweigerlich
wieder an die Anfänge und die Vordenker der Futurologie.
"Flechtheim selbst weist auf zwei deutsche Denker
hin, die mit der schmerzlichen Erfahrung des Ersten
Weltkriegs in frischer Erinnerung die Frage nach der
Zukunft stellten und jeder auf seine Weise radikal beantworteten:
Oswald Spengler und Walther Rathenau.
Oswald Spengler sagt 1918 im ersten Band des Werks »Untergang
des Abendlandes« ein Zeitalter der Katastrophen
und Kriege, der Diktatur und Vermassung vorher. Walther
Rathenaus Analyse der Zeitumstände fällt ganz
ähnlich aus. Er befürchtet indes neben dem
Verfall von Kultur und Moral auch die Zerstörung
der Wälder und Naturschätze. Anders als Spengler
verharrt er nicht im Kulturpessimismus, sondern sieht
aus dem Verfall eine neue Tatkraft des Menschen entstehen
und damit eine Wende zum Besseren. Im Kern glaubt Rathenau
daher an die Kraft der Utopie." (Brockhaus
2006)
Diese
neue Tatkraft des Menschen ist allerdings bis heute
nicht zu sehen. Weltweit hat sich die Politik in ihrer
verkrusteten Engstirnigkeit unter einer Fassade aus
überholten Verlautbarungen und bloßer Verwaltung
eines allgemeinen Niedergangs bequem eingerichtet. Die
Utopie als einst Sinn stiftende Kraft, als Motor realisierbarer
Visionen ist mit der Ablegung des voreiligen Fortschrittsglaubens
gleich mit verschwunden. "Mehr noch, so konstatiert
auch Flechtheim, die modernen Gesellschaften laufen
Gefahr, vor lauter Skepsis und Zweifel jegliches utopische
Denken von vornherein abzuwürgen." "Postmoderne
lautet der schwammige Begriff, hinter dem wir heute
meist nur unsere Ratlosigkeit verstecken. Die Moderne,
das Industriezeitalter mit seinem technisch begründeten
Fortschrittsglauben, ist passé ... Wir wissen
nicht recht, woraus diese Gesellschaft ihren geistigen
Halt und Gehalt ziehen soll." (Brockhaus 2006)
Voraussagen
zur sozialen Frage werden allenfalls als schicksalshafte
Rand- und Folgeerscheinungen des technischen Fortschritts
beantwortet, auch im globalen Sinne, wo die technische
Entwicklung mit ihren neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten
zu einer umfassenden Gleichschaltung führt mitsamt
den nachhaltig negativen Folgen für die Gesellschaften,
die ursprünglich so bunten gewachsenen Arten menschlichen
Zusammenlebens. Es werden nicht dem Menschlichen dienliche
soziale Konzepte entworfen oder bewahrt, an welchen
der Fortschritt sich zu orientieren hat, sondern umgekehrt
wird der Niedergang des Sozialen als Folge des ökonomisch-technischen
Dogmas schulterzuckend abgehandelt.
"Große gedankliche Würfe dagegen,
welche die soziale Sprengkraft technologischer Entwicklungen
einzuschätzen suchen, blieben in der Futurologie
nur einzelnen Vertretern vorbehalten. Das Bemerkenswerte
dabei: Häufig handelt es sich in diesen Fällen
um Wissenschaftler, die außerhalb ihrer eigenen
Disziplin über mögliche Zukünfte nachdachten.
Einer von ihnen ist Norbert Wiener, der den Begriff
der Kybernetik prägte. Wiener war es, der bereits
in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts immer neue Rationalisierungswellen
des Informationszeitalters voraussagte, den Übergang
vom Werk- zum Denkzeug sah und prognostizierte, dass
mit dem Computer die bislang bloß kraftvolle Maschine
nun auch Eigenschaften wie Denk- und Erinnerungsstärke
hinzugewinnt. Wieners Zukunftsbild lässt selbst
die uns heute bedrückenden Details einer Arbeitnehmerschaft
erkennen, die durch diese Entwicklung immer weniger
anzubieten hat, was sie in Brot und Arbeit hält."
Wenn
auch Flechtheim als positive Entwicklung schon die Möglichkeit
zu einer gewaltigen geistigen und kulturellen Entwicklung
der Gesellschaften sah, die gesteigerten Möglichkeiten
der Menschen sich kreativ zu betätigen und ihr
Mehr an Freizeit, resultierend aus gesteigerter Produktivität
und verkürzten Arbeitszeiten auszukosten, konnte
er noch nicht ahnen, wie diese Freiräume sofort
von der Wirtschaft gefüllt werden konnten, sobald
sie sich zeigten.
Gewonnene Zeit wird von der Masse heutzutage ganz und
gar nicht einem Mehr an geistigen und kulturellen Betätigungen
gewidmet, sondern fast ausschließlich dem Konsum
jeglicher Art, aufgeschwatzt durch Werbung, Mode und
sonstigen Strategien zur Herdenunterwerfung. Der technische
Fortschritt hat gewissermaßen klammheimlich das
Spektrum dessen, was man unter Lebensunterhalt versteht
und für welchen man dann sorgen muss, unablässig
erweitert. Lediglich ein Mensch, der auch heute ausschließlich
für sein Essen und Wohnen Erwerbsarbeit verrichten
würde, hätte im Gegensatz zu den Verhältnissen
in etwa den 1950er Jahren, theoretisch an Zeit dazugewonnen.
Pflegt er aber moderne und heute alltägliche Konsumgewohnheiten,
hat er sich hier unter dem Strich faktisch nicht verbessert.
Auch der griechische Philosoph Platon, der Erfinder
der Utopie, hat wohl in seiner Beschreibung des sagenhaften
Reichs Atlantis und der dort herrschenden technischen
und materiellen Infrastruktur und ihrer Möglichkeiten
nicht bedenken können, welche neuen Zwänge
dadurch erwachsen, welche neue, unterschwellige Bevormundung
von Seiten der vom Fortschritt finanziell profitierenden
Gruppen damit über die Menschen gebracht werden
kann.
Bis
heute wird die Technik als Hauptgestalter der Zukunft
betrachtet als realisierende Kraft in jeder Utopie.
Sie wird selbst da noch wie ein Gott verehrt, wo sie
sich längst gegen den Menschen gekehrt hat. Eine
Unterscheidung zwischen menschendienlicher und existenzschädigender
Technik wird von sich immer findenden Beführwortern
mit Macht verwässert und unterdrückt.
Einerseits weiß die Öffentlichkeit mittlerweile,
dass die Zerstörung der Umwelt und die Sinnentleerung
des Lebens eindeutig auf das Konto der Technik geht,
andererseits wagt niemand nachdrücklich dagegen
aufzubegehren. Die angeblich existenzsichernde Wirkung
für die Gesellschaft ist bei genauer Betrachtung
eine Existenzsicherung einer schmalen Oberklasse, woraus
lediglich als Abfallprodukt eine existenzsichernde Wirkung
für die breite Masse resultiert. Hier sei an das
treffende Bild erinnert, welches die britische Regierungschefin
Margaret Thatcher einst benutzte, um ihre Bevorzugung
der Reichen zu rechtfertigen: Man müsse nur kräftig
die Pferde füttern, dann fielen auch genügend
Kotäpfel zu Boden, wovon sich die Spatzen ernähren
könnten.
In
Thomas Morus Roman aus dem Jahre 1516 über das
Leben auf der Insel "Utopia" trägt die
Wissenschaft, deren Erfindungen und Fortschritt noch
unkritisch zur Erleichterung des Lebens der Bevölkerung
bei, ebenso bei Francis Bacon in "Nova Atlantis".
Erst im frühen Kapitalismus bei H.G.Wells' Roman
"Die Zeitmaschine", Aldous Huxleys Roman "Schöne
neue Welt" und George Orwells Roman "1984"
verschwinden die Scheuklappen und eine bittere technikresultierende
Realität wird erahnbar. Wells forderte von der
Wissenschaft eine kritische und umfassende Zukunftsforschung
Tatsache
ist heute, dass das Bevölkerungswachstum ungebremst
fortschreitet, Hunger und Anaphabetismus nicht annähernd
beseitigt sind, die natürlichen Lebensgrundlagen
dem auferlegten Fortschritt geopfert werden, die Sinnentleerung
der Leben immer mehr Menschen Realität ist, jeglicher
gewachsene Halt, sei es Kultur oder regionale Identität,
verloren geht, Kriege weltweit mindestens so zahlreich
sind, wie vor 50 Jahren, die Ausbeutung der Menschen
und Unterdrückung echter Freiheit mit der Globalisierung
eine neue Dimension erreicht hat und dadurch ein übermaterieller
Lebenssinn fernab des allgegenwärtigen Konsums
grundlegend aus dem Blickfeld der Menschen gekommen
ist.
Gerade
weil der technische Fortschritt die mit Abstand herrschende
Triebfeder für zukünftige Entwicklungen darstellt
und dabei eine Menge langfristig verhängnisvoller
Entwicklungen produziert, muss dieser einen starken
Gegenpart in der Futurologie bekommen. Eine unabhängige
Futurologie ist mittlerweile für die Menschheit
überlebensnotwendig, selbstverständlich nur,
wenn ihre Erkenntnisse nicht im Nirwana des globalen
Geplauders verdunsten, sondern vehement in politische
Entscheidungen und die aktive Gestaltung der Entwicklung
einfließen. Futurologie ist gewissermaßen
die wichtigste Wissenschaft geworden, eine Wissenschaft
welche Bereiche aus Naturwissenschaft, Soziologie, Nationalökonomie
und auch anderer Bereiche zusammenfasst um drohendem
Unheil für die Menschengesellschaft zuvorzukommen.
Demgegenüber
mutet so manche Vorgehensweise samt ihren Ergebnissen
in der Zukunftsforschung, besser gesagt in deren Teilbereichen,
zumindest seltsam an. Erkenntnisse futurologischer Studien
für die Gesamtgesellschaft kommen viel zu oft wegen
überzogener Erwartungen oder einseitiger Interessen
der Auftraggeber unter die Räder. Hier liegt der
Hauptgrund dafür, dass sich überparteiliche
Zukunftsforschung immer noch nicht als eigenständige
Wissenschaft im Dienste der Menschheit etablieren konnte.
Entweder, Fragen werden zu weit in die Zukunft gestellt,
was die Antworten zu wenig mehr als Kaffeesatzleserei
macht. Oder Studien werden von selbstherrlichen Schaumschlägern
verfasst, wie etwa die haarsträubenden Szenarien
des Amerikaners Hermann Kahn und seines Hudson Instituts
aus den 1970er und 1980er Jahren. "Sie versuchten
den Eindruck einer funktionierenden Expertokratie zu
erwecken, einer intimen Gemeinschaft Eingeweihter, die
scheinbar rein sach- und faktenorientiert urteilt".
(Brockhaus)
Oder Zukunftsforschung wird betrieben wie bei den sogenannten
Delphistudien in Deutschland in den 1990er Jahren. Hier
beauftragte das Bundesforschungsministerium das Fraunhofer-Institut
für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe
mit der umfangreichen Befragung von rund 7000 Experten
aus Industrie und Verbänden, Hochschulen und Forschungsinstituten.
Ein Drittel der Angeschriebenen schickten die ausgefüllten
Fragebögen zurück, in welchen sie einzuschätzen
hatten, wie die Welt in 5, 10 und 30 Jahren möglicherweise
aussieht. In einer zweiten Runde sollten sich die Befragten
erneut äußern, hatten nun aber die Ergebnisse
der Erstauswertung, also die Äußerungen der
Mitteilnehmer vor Augen. Hier näherten sich die
Aussagen noch weiter an einen Mittelwert an, von dem
man annahm, dass er der begründetsten Realität
am nächsten käme.
Was
aber hat diese aufwändige Studie letztendlich gebracht?
Interessante Spitzen wie einzelne Außenseitermeinungen,
oft überdurchschnittlich weitsichtige Überlegungen
von Querdenkern, waren verloren gegangen. Das Mittelmaß
beherrschte das Ergebnis. Es kam haupsächlich auf
den Tisch, was die Teilnehmermehrheit als die wahrscheinlichsten
technischen Innovationen erachtete, also nichts brauchbares,
um fatalen Entwicklungen vorbeugen zu können. Zu
den drohenden Gefahren für die natürlichen
Lebensgrundlagen gab es praktisch gar keine Ergebnisse.
Allenfalls bot sich für die Politik die Möglichkeit,
sich mit einer gewissen Modernität zu behängen,
da man nun die utopischsten Erwartungen des Durchschnitts
einer Reihe von einflussreichen Deutschen kannte und
nacherzählen konnte, bzw. wusste, wo sich Fördergelder
öffentlichkeitswirksam hingießen ließen.
Die Medien füllten sich mit neuen wie schwammigen
Begriffen.
Die Rede war vom "Übergang in die Dienstleistungsgesellschaft",
vom Trend zum "Outsourcing" in den größeren
Betrieben, es gab Ankündigungen technischer Errungenschaften
wie Abstandsregler für PKWs, Hyperschallflugzeuge
für Langstreckenflüge, Wasserstoffmotoren
im Straßenverkehr oder sichere Endlagerung radioaktiver
Abfälle. Im medizinischen Bereich stellte man die
Entwicklung eines HIV-Impfstoffs, die Entdeckung der
Ursachen von Alzheimer oder die Heilbarkeit von Allergien
in Aussicht, oder man sah die Erhöhung der Genauigkeit
von Wetterprognosen, Möglichkeiten durch sehende
Roboter, "Alltagsbereicherungen" wie Bildtelefone
und computergesteuert Wohntechnik im Haushalt oder die
Verbreitung von "Virtual- Reality-Erlebnisparks"
zum Freizeitkonsum.
Die Delphieergebnisse wurden von der Politik gebraucht
um "Anschubfinanzierungen" zu rechtfertigen
und um der Wirtschaft Betätigungs- und Wachstumsfelder
festzuschreiben. Abschließend betrachtet diente
die subjektiv nivellierte Ansicht ebenso subjektiver
Phantasien der Delphieteilnehmer der Begründung
eines planwirtschaftlichen Aktionismus der Regierenden.
Volkswirtschaftlich nachhaltig interpretiert hätte
man sich das Geld für die Delphibefragungen sparen
können, sind diese doch vom technikbereinigt Entscheidenden
und vom Umfang dessen, was Fechtheim unter Futurologie
verstand meilenweit entfernt geblieben.
Eine
ernstzunehmende Futurologie muss danach fragen, welche
Folgen, welche schädlichen Folgen zukünftige
technische und ökonomische Trends nach sich ziehen
können, um deren Wert für die Menschheit und
die Rechtfertigung ihrer Umsetzung im Vorfeld zu beleuchten,
ja um diese Umsetzung eventuell besser abzuwenden.
Hier war der im Jahre 1972 erschienene Bericht des Clubs
of Rome "Die Grenzen des Wachstums", erstellt
von Wissenschaftlern am Massachusetts Institute of Technology
(MIT) richtungsweisend. Obwohl in seinen Details prägnant
und im Inhalt seiner Prognosen sehr realistisch, verschätzten
sich die Wissenschaftler bei den Zeiträumen, in
welchen eine schädliche Entwicklung allgemein spürbar
würde. Auch weil Politik und Wirtschaft die Ergebnisse
herunterspielten und ignorierten, hatte der Bericht
kaum praktische Folgen.
Inzwischen
müssten genug Erkenntnisse zu Art und Methode futurologischer
Studien, genug Beispiele dafür, wo diese zu raten
beginnt und sich zu weit aus dem Fenster lehnt vorliegen
und auch genug Indikatoren für Versuche bestimmter
Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik, Zukunftsforschung
für ihre Zwecke zu missbrauchen, um endlich eine
effektive und nachhaltig besehen menschendienliche,
umfassende Futurologie betreiben zu können.
Futurologie im 21ten Jahrhundert soll nicht einfach
Zukunft nur vorhersagen. Indem Chancen und Gefahren
objektiv abgewogen werden, soll sie zur Gestaltung einer
lebenswerten Zukunft beitragen. Allem voran muss sie
die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen
beachten, weil dies die Bühne ist auf dem sich
alles Andere, auch alles Zukünftige abspielt.
Insofern ist die Futurologie, auch wenn dies manche
abstreiten, eine wichtige Wissenschaft, sofern sie sich
von den zweckdienlichen Seitenströmungen klar distanziert.
Sie ist dies auch, weil sie sich mit Blick auf dienliche
Ergebnisse keine Scheuklappen leisten kann, ja im Gegenteil
sehr generalistisch, fachübergreifend besetzt sein
muss. Neben den Naturwissenschaften sind Felder aus
Nationalökonomie, Soziologie und Ökologie
unerlässlich.
Der amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler etwa
stellte Überlegungen über pädagogische
Systeme an, der Deutsche Robert Jungk analysierte unter
Anderem die Gefahren für die Demokratie, die aus
der Etablierung der Atomkraft resultieren.
Jungks Forschungen wären heute durchaus wiederholbar,
betrachtet man den politischen Aktionismus bezüglich
des sogenannten "Kampfs gegen den Terror"
und der daraus folgenden zwangsläufigen Einschränkung
der demokratischen Freiheit.
Das Ausbluten kultureller und regionaler Identitäten
durch Unterwerfung unter Ökonomismus und Globalismus
wird Schädigungen an der Gesellschaft mit sich
bringen, die heute noch gar nicht abzuschätzen
sind. Die Konsumstruktur, die sich in den letzten Jahrzehnten
aus den kapitalistischen Zwängen zum Effizienzdogma
und quantitativem Wachstum auf unsere jungen Bevölkerungsteile
ergießt, wird unser Gemeinwesen auf mehrere Generationen
hinaus destabilisieren. Das Weltwährungs- und Zinssystem
führt, falls ein Crash nicht zuvorkommt, früher
oder später unweigerlich zum Versiegen jeglichen
Währungsumlaufs, ähnlich der Schiefstellung
eines Flipperautomaten, wo alle Kugeln am Ende im schwarzen
Loch verschwunden sind.
Die
beste Chance auf eine Rehabilitierung der Futurologie
besteht in zweierlei. Erstens muss sie die jetzt schon
offensichtlichen ökologischen und sozialen Schadkosten
der real existierenden Weltökonomie in großangelegten
Studien feststellen. Mit diesem Ergebnis, einem mächtigen
Argument, ließe sich die Zukunft, allen Beteuerungen
der Mächtigen zum Trotz, ungeschminkt zeichnen,
ihre Gesellschaftsfeindlichkeit zweifelsfrei nachweisen.
Dann kann sie ihre Alternativen entwickeln und daneben
stellen. Mit diesen beiden Entwürfen leiße
sich zumindest in Deutschland eine Verfassungsklage
formulieren, um dessen Ergebnis die Politik nicht herum
käme. Würde sie es dennoch versuchen, käme
dies dem Bemühen zur Beseitigung der verfassungsmäßigen
Ordnung gleich.
CCR