Der
"Völkerdom", ein ringförmiges
Kuppelbauwerk ganz aus lebendem Holz gewachsen.
Der
Völkerdom ist ein Symbol für den lebendigen
Austausch, für ehrliche Toleranz und das
friedliche Miteinander von Völkern, Kulturen
und Religionen. Er ist ein aktives Friedensdenkmal
und gerade kein gewöhnliches Großdenkmal,
errichtet in kurzer Zeit von Spezialisten und
mit moderner Bautechnik. Es soll, ganz anders
als die üblichen Arten von Denkmälern,
nicht einfach nur schnell hingestellt werden,
um fortan nichts neues mehr bieten zu können.
Beim Völkerdom ist die Errichtungsphase untrennbarer
Teil der Symbolik des Denkmals selbst. Dadurch
wird das Denkmal auch über viele Jahrzehnte
hinweg immer reichhaltiger, das Interesse an ihm
immer größer und die Symbolik immer
unauslöschlicher. Analog verkörpert
der Völkerdom die Erkenntnis, dass dauerhafter
Friede auf der Welt über viele Jahre langsam
heranwachsen und von allen Menschen ständig
intensiv gepflegt werden muss.
Er wäre ein Zeichen für die Erkenntnis,
dass nur mit Geduld, Verständigung und selbstverständlichem
Akzeptieren des Andersartigen ein Dach erwachsen
kann, das alle Erdenbürger vor der Eskalation
menschlicher Abgründe beschützt. Ein
Bild dafür, dass wir ein Ziel im Auge haben,
Als Projekt, dessen unablässig ansteigende
positive Ausstrahlung auch Skeptiker und Gleichgültige
früher oder später mitzureißen
vermag, könnte es sämtlichen Bemühungen
um Frieden zur obersten Priorität verhelfen.
Der Völkerdom zeichnet sich durch sein einzigartiges
Baumaterial und durch die neuartige Anwendung
einer alten Technik aus. Genaugenommen wird er
gar nicht "erbaut", sondern er wächst
von selbst empor. Er besteht aus lebendigem Holz,
wie ein Baum, das wir allerdings durch entsprechende
intensive Pflegemaßnahmen über Jahrzehnte
zur endgültigen Gestalt formen müssen.(siehe
Skizzen Anlage(1)
1.- Zum Prinzip und zur Geschichte der hier
zur Anwendung bestimmten Bautechnik:
Wenn man zwei nebeneinander wachsende Gehölze
zueinander biegt und sie mittels Kordel oder besser
durch Eindrehen einer Schraube fest und unverrückbar
miteinander verbindet, wachsen beide Teile an
dieser Stelle zusammen, vorausgesetzt, es handelt
sich um Gehölze derselben Art. Im Boden eines
Waldes, wo Baumwurzeln durch die sie umgebende
Erde nicht ausweichen können, sind solche
Zusammenwachsungen sehr häufig, aber selten
sichtbar.
In der Geschichte finden sich viele Hinweise darauf,
dass die Menschen sich diese Eigenschaft der Pflanzen
auf unterschiedliche Art und Weise zu Nutze machten.
Am bekanntesten sind wohl die Gitterzaunhecken,
lebende Einfriedungen, wie sie in den 1930er Jahren
die Baumschule Herr in Bringhausen am Edersee
in größerem Umfang anlegte. (Anl.2
bis 5) Friedrich Herr hatte einen Patentstift
aus Stahl mit Gegenscheibe entwickelt, mit dem
er in Sekunden eine Überkreuzungsstelle zweier
Äste so gründlich miteinander verband,
dass sie schon einige Wochen später zusammengewachsen
waren. Er beschränkte sich auf die Anlage
von Zäunen aus weniger stark wachsenden Gehölzen,
die durch regelmäßigen Schnitt in Brusthöhe
gehalten immer den Charakter von Zäunen behielten.
Noch heute gibt es Reste dieser Zaungebilde, die
aber zum größten Teil mangels Pflege
stark verwildert sind.
Einige Jahre vorher gab es in Berlin einen Mann
namens Arthur Wiechula, der wohl den bedeutendsten
Versuch in der neueren Geschichte unternahm, die
Naturbautechnik anzuwenden. ( vgl. Anl.6)
Über die damals auch schon bekannte Einfriedungstechnik
hinaus wollte er starkwachsende Bäume verwenden
und große Gebäude errichten. Er begann
mit großem Elan, gründete eine Baumschule
in Berlin-Friedenau und schrieb ein Buch: "Wachsende
Häuser aus lebenden Bäumen entstehend".
Dort beschrieb und zeichnete er Lauben und Schuppen,
große Scheunen und Lagerräume bis hin
zu Stützmauern, Brücken, Riesenbäumen
und Türmen mit innenliegenden Auffahrrampen.
(Anlagen 7 b. 14)
Doch so enthusiastisch wie er begonnen hatte,
so kläglich scheiterte Wiechula Ende der
1920er Jahre. Die Ursache dafür lag nicht
in der Idee begründet. Vielmehr stellten
seine Patente, mit denen er die Gehölze zum
Verwachsen bringen wollte, sich später in
der
Praxis als nicht tauglich heraus. Den Patentstift
der Baumschule Herr, wie auch die simple Schraubtechnik
von heute, hatte Wiechula damals nicht zur Verfügung.
Friedrich Herr schrieb dazu später: "Mit
großen Versprechungen und übertriebenen
Hoffnungserweckungen ging Wiechula mit seiner
Naturbaugesellschaft mbH in die Öffentlichkeit
und nahm Aufträge in großer Zahl entgegen.
Zweckmäßige Arbeitsmethoden zur Verwirklichung
des an sich guten und wirtschaftlich sehr wertvollen
Grundgedankens hatte er jedoch nicht zuverlässig
ermittelt... Den schwersten Schlag gegen die schnelle
Verbreitung des Naturbaus führte Wiechula
dadurch, dass er den eingegangenen Verpflichtungen
nicht nachkam und die Auftraggeber nach Empfang
des Geldes sitzen ließ..."
Erfolgreicher und selbstverständlicher wurde
die Naturbautechnik im Mittelalter und in der
Neuzeit angewendet, wenn auch auf sehr unterschiedliche
Art und Weise.
Bis ins 15te Jahrhundert gab es in Deutschland
Befestigungsanlagen aus lebendem Holz,
die kilometerlang etliche Landesgrenzen begleiteten.
Meist als Gebücke bezeichnet bestanden
sie hauptsächlich aus Hainbuchen, die in
breiten Streifen dicht nebeneinandergepflanzt
und intensiv miteinander verwickelt, verknotet
und verflochten wurden. So entstanden undurchdringliche
Grenzbefestigungen teils in Verbindung mit Wällen
und Gräben, die über Jahrhunderte sorgfältig
gepflegt wurden. Diese Anlagen mussten einen beeindruckenden
Anblick geboten haben. Man stelle sich vor, Unmengen
von bis über 30 cm dicken Stämmen ragten
auf engstem Raum aus dem Boden, jedoch nicht gerade,
wie in einem Wald, sondern wie unzählige
gewaltige Korkenzieher oder Schlangenleiber unlösbar
durcheinandergewirbelt, so dass nur eine Maus
noch hindurch gelangen konnte.
Gute Zeugnisse über eine andere Anwendung
der Naturbautechniktauchen in Schriften über
die Gartenkunst im 17ten und 18ten Jahrhundert
auf. In der "Bibel der französischen
Gartenkunst" (anl.15) von Dezallier
d'Argenville (La Theorie et la Pratique du
jardinage,
Paris 1709 bis 1747) finden sich viele Darstellungen,
wenn auch nicht im Sinne Arthur Wiechulas, sondern
mehr künstlerisch und spielerisch. In einem
früheren Werk findet sich folgender Absatz
: "Die aus Bäumen errichteten Bauten,
die die Räume begrenzen und aufteilen...,
bestehen aus Alleen oder geschlossenen Baumgängen
mit aus Laub gebildetem Tonnengewölbe oder
flacher Decke. Säle, Zimmer, Kabinette werden
dort geschaffen, überkuppelt oder spitzbogig
geschlossen in Gestalt von Haupttrakt oder Pavillon
mit architektonischem Fensterschmuck, der durch
Binden und Beschneiden sorgfältig ausgebildet
wird." (Jaques Boyceau: Traité
du Jardinage selon la raison de la nature et de
l'art, Paris 1638)
Schließlich sei noch die gewölbte Allee
im Garten von Castellazzo in der Nähe Mailands
erwähnt, die von D. Leonardi 1743 beschrieben
wurde. Dieses Naturbauwerk riesigen Ausmaßes
war aus starken Bäumen gewachsen. Der Anblick
muss wegen der Größe und der Regelmäßigkeit
im Wuchs für den Betrachter überwältigend
gewesen sein. Ein Stich zeigt die Allee umgeben
von hohen Heckenmauern. (Anl.19)
Über sehr viel frühere Anwendungen der
Naturbautechnik gibt es keine Zeugnisse mehr,
wohl aber Spekulationen. Hierzu zählt die
Legende vom Entstehen der Gotischen Architektur.
In seinem Buch aus dem Jahr 1983, "Imaginäre
Realitäten", hat Jurgis Baltrusaitis
viele Quellen und Aspekte dieser uralten These
zusammengetragen.
Betrachtet er die typischen Formen und Ornamente
an gotischen Kathedralen, so wird der unvoreingenommene
Besucher an wiederkehrende Formen in alten Wäldern,
oder aber auch an das Gewölbe über einer
prächtigen Allee erinnert. Baltrusaitis erwähnt
hierzu mehrere Texte, unter anderem von Goethe,
Chateaubriand und Friedrich Schlegel.
Auch Hegel spricht von einer Waldarchitektur:
"Betritt man das Innere einer mittelalterlichen
Kathedrale, so wird man... an die Wölbung
eines Waldes erinnert, dessen Baumreihen ihre
Zweige zueinander neigen und zusammenschließen."
Ein Engländer namens John Hall war auf seinen
Reisen durch Europa von den gotischen Kathedralen
und von der Theorie ihrer Herkunft derart fasziniert,
dass er beschloss, zuhause praktische Versuche
zu machen um die Spekulationen zu bestätigen.
Im Jahre 1792 pflanzte er eine kleine Kirche aus
Eschenstämmen und Weidenruten über einer
Fläche von etwa 20qm. Im Frühjahr begann
das Gebäude zu knospen, und die Blätter
traten an eben den Stellen hervor, an denen man
sie sonst in Stein gemeißelt in gotischen
Kirchen findet. Die Royal Society in Edinburgh
veröffentlichte 1798 einen Bericht über
das Experiment von Hall mit zahlreichen Illustrationen.(siehe
Anl.16 b.18)
Baltrusaitis schlägt über die christliche
Gotik in Mitteleuropa hinaus Brücken hin
zu anderen entfernten großen Kulturen. Etliche
Quellen behaupten, dass die Gotik aus der maurischen
Architektur hervorgegangen ist. Viele Linien führen
nach Nordafrika und nach
Persien. Doch auch die alte Architektur Chinas
und Indiens weisen typische Merkmale auf, die
unsere gotische Architektur kennzeichnen.
Einerseits könnte man fragen, was
nun zuerst da war und welcher Baustil aus dem
anderen hervorgegangen ist oder von diesem
beeinflusst wurde. Andererseits aber könnte
man auch den Schluss ziehen, dass die Baustiele
der so verschiedenen Kulturen auf der Erde alle
von in der Natur vorkommenden Formen und Ornamenten
geprägt wurden. Und weil diese Formen
der Natur in den Proportionen und Formen überall
gleich sind, ähneln sich auch die verschiedenen
weltweiten Architekturstile in gewissen Details.
Ebenso, wie beispielsweise der goldene Schnitt
überall auf der Welt als die harmonischste
Proportion angesehen wurde, hat man wohl auch
die Spitzbogenform als sehr vertraut empfunden
und sehr häufig in Gebäude eingearbeitet.
Ob es aber vor den steinernen alten Baustilen
der Welt tatsächlich schon lebende Bauwerke
gegeben hat, die, ebenso wie jetzt beim Völkerdom
geplant, über längere Zeit systematisch
herangezogen wurden, und woraus schließlich
mit Aufkommen anderer technischer Möglichkeiten
oder durch einen Wandel der Anforderungen an das
Bauwerk, die steinernen Kopien entstanden, bleibt
wohl immer Spekulation. Anders als bei steinernen
Bauten sind eventuelle Reste davon heute längst
spurlos verfault und vergangen.
2.- Zur gegenwärtigen Situation des Naturbaus:
In Deutschland spielt der Naturbau bis heute,
wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle.
In den letzten Jahren sind zwar zahlreiche Weidenhäuschen
als Spielobjekte für Kinder oder als Gartenlauben
angelegt worden, und es gibt auch neuerdings einiges
an Literatur dazu. Aber hierbei wird kein geschlossenes
Gebäude angestrebt, sondern ein Gebilde zum
Klettern und Hineinkriechen oder als schattiger
Sitzplatz, meist in Kuppel-, Schnecken- oder Tunnelform.
Der Vorteil von Weide ist, dass abgeschnittene
Äste, im Frühjahr in den feuchten Erdboden
gesteckt, leicht anwachsen. Weide reicht für
kleinere Bauten völlig aus. Auch lebende
Zäune werden heutzutage vereinzelt angelegt,
ebenfalls hauptsächlich aus Weidenruten.
Darüber hinaus, was größere Konstruktionen
angeht, wird die Zahl der Experimente in Deutschland
sehr dünn. Diese müssen als kleine Bäumchen
härterer Gehölzarten sorgfältig
gepflanzt und viele Jahre lang aufwändig
herangezogen werden. Bewohnbare Häuser, wie
sie ein sehr eifriger Naturbaumeister in Osthessen
anstrebt, sind höchstwahrscheinlich nur eingeschränkt
realistisch, weil eine Beheizung des Naturbaus
im Winter den lebenden Holzkörper schädigen
würde. Als Sommerresidenz allerdings scheint
die Idee sehr reizvoll. Auf jeden Fall entsteht
eine ungewöhnlich spektakuläre Sehenswürdigkeit.
Auf der Welt gibt es sicherlich noch etliche Versuche
mit dieser Technik und man wird wohl im Internet
nur zu den wenigsten davon Informationen finden.
Neben Flechtobjekten aus einem oder wenigen Bäumen,
gewachsenen Möbeln und Gartenskulpturen sind
kaum Projekte dabei, die man als wirkliches Bauwerk
im Sinne eines Hauses bezeichnen könnte.
Es ist natürlich durchaus möglich, dass
irgendwo fleißige Naturbaumeister an der
Arbeit sind, die erst an die Öffentlichkeit
gehen, wenn auch etwas Fortgeschrittenes vorzuweisen
ist.
3.-
Der Bau des Völkerdoms und seine Symbolik:
Der Völkerdom soll nicht nur ein vollwertiges
in Naturbauweise ausgeführtes Bauwerk werden,
mit ihm wird auch die maximal denkbare Größe
angestrebt. Der Arbeitsaufwand dafür ist
gewaltig. Möglich wird dieses Projekt nur,
wenn solide Finanzierungsmöglichkeiten gefunden
werden und viele Menschen über viele Jahrzehnte
hinweg unablässig daran arbeiten. Am Ende
ist ein 35 Meter hoch überkuppelter ringförmiger
Raum von ca. 2000 qm Grundfläche entstanden,
bzw. ein elliptischer Raum mit einer mächtigen
Mittelsäule. Das kuppelförmige Dach
und die Wände bestehen dann nicht nur aus
belaubtem Geäst, sondern aus absolut dichtem,
zu Flächen ausgebildetem lebendem Holz. (siehe
Skizzen Anl. 1 )
Nachdem man den Bauplatz unter Beachtung etlicher
Kriterien hin ausgesucht und vorbereitet hat,
werden auf einer ellipsenförmigen Grundlinie,
(Länge der großen Achse 64,7 m, Richtung
West-Ost, kleine Achse 40 m, Nord-Süd), sowie
auf einer Kreislinie von 5 m Durchmesser in der
Mitte der Ellipse im Abstand von 12 cm junge Platanenbäumchen
gepflanzt. Die Ellipsenform stellt symbolisch
die Bewegungslinie unserer Erde im All dar. Das
Verhältnis von Länge zu Breite der hier
gewählten Ellipse entspricht dem goldenen
Schnitt, der besonderen Proportion, die in der
Natur beim Wachstum von Pflanzen immer wieder
auftaucht, wie auch in Kunst und Architektur aller
Kulturen. ("Wenn wir eine Blume oder eine
andere Schöpfung der Natur genau betrachten,
fällt uns auf, dass gewisse Proportionen
sich immer wiederholen und dass aus der Verbindung
ergänzender Gegensätze immer wieder
eine harmonische Ordnung entsteht, die allem Gewachsenen
ebenso wie dem von Meisterhand gefertigten eigen
ist." - György Doczi, Architekt
und Designer in -Die Kraft der Grenzen-)
Die Anzahl der benötigten Einzelpflanzen
ergibt sich aus der Länge der Pflanzlinien.
Zieht man bei der äußeren Linie eine
Lücke von 5 Metern ab, -hier soll die Eingangsöffnung
verbleiben- und beim inneren Kreis eine Lücke
von 1,2 Meter als Zugang zum Mittelpunkt, braucht
man insgesamt 1470 Bäumchen. Anders als bei
Jungbäumen zur Einzelpflanzung sollen die
Stämmchen hierbei höchstens daumendick
sein. Wenn man in größeren Abständen
pflanzt, etwa 20 cm weit auseinander, braucht
man zwar weniger Pflanzmaterial, die anfängliche
Maschengröße des geflochtenen Gitters
allerdings wäre dann statt 24 cm, gleich
40 cm groß. Es würde länger dauern,
bis diese Maschen geschlossen würden. Dies
müsste kein Nachteil sein angesichts der
langen Bauphase, sollte aber gegen die Vorteile
einer engen Pflanzung abgewogen werden.
Als Baumart sei die Gewöhnliche Platane,
(Platanus acerifolia) gewählt , weil sie
die drei wichtigsten Voraussetzungen als Substanz
für den Völkerdom erfüllt:
a) Sie ist überdurchschnittlich abgastolerant
und windverträglich, erduldet also auch die
belastete Luft in der Nähe einer Stadt noch
relativ gut.
b) Sie ist außergewöhnlich starkwüchsig,
wodurch der Völkerdom eine beeindruckende
Größe erlangen kann. (Die erreichbaren
Dimensionen eines Naturbaus hängen direkt
von der Wuchsleistung der verwendeten Gehölzart
ab).
c) Die Platane ist sehr schnittverträglich
und austriebswillig und wird die ständigen
Arbeiten an ihr, Binden, Biegen, Schneiden ohne
Schwierigkeiten mitmachen.
Darüber hinaus sei noch ein symbolisches
Kriterium der Gehölzwahl genannt: Die gewöhnliche
Platane ist eine natürliche Kreuzung zwischen
der morgenländischen Platane und der abendländischen
Platane. Ihre Eltern stammen aus Kleinasien und
aus Nordamerika, und sie selbst ist ab dem 17ten
Jahrhundert nach Mitteleuropa eingewandert, wo
sie in unseren Orten ein uneingeschränktes
Bleiberecht genießt. Sie ist gewissermaßen
ein multikulturelles Geschöpf.
Die 1470 Einzelbäumchen symbolisieren alle
ethnischen und religiösen Menschengruppen
auf der Erde. Das Leben hat sie in diese Welt
gepflanzt, aber viel zu dicht nebeneinander, als
dass jede einzelne sich unbedrängt von Konflikten
entfalten könnte. Es gibt kleine und große
Völker, sensible und robuste Kulturen, zurückgezogene
und missionarische Religionen.
Ähnlich ist es auch bei den jungen Platanen,
wenn sie auf den Grundlinien des Doms eingepflanzt
werden. Einige strotzen vor Wuchskraft, sind gerade
und besitzen üppige Knospen. Andere machen
einen schwächeren Eindruck und haben durch
das Verpflanzen einen Teil ihrer Wurzeln verloren.
Wie ist es zu schaffen, dass sie alle gut anwachsen
auf diesem engen Raum? Wie lässt sich verhindern,
dass die kräftigen Pflanzen oder analog dazu
die großen Kulturen der Welt in ihrem Übermut
den kleineren den Boden und das Licht wegnehmen?
Würden wir die 1470 jungen Bäume auf
die Grundrisslinien setzen und tun dann nichts
mehr tun oder uns nur noch aufs Gießen beschränken,
so wäre nach den ersten Jahren ein großer
Teil abgestorben. Von den übrigen werden
einige wenige zielstrebig nach oben wachsen und
mit ihrer Krone den Rest zunehmend beschatten.
Irgendwie arrangieren die schwachen Bäume
sich mit ihrer Lage wachsen langsam oder legen
sich krumm, weil von der Seite noch etwas mehr
Licht einfällt. Etliche werden absterben,
auch nach 10 Jahren noch, und das Ergebnis des
langen Kampfes würde jene Betrachter bestätigen,
die sagen, der Sieg des Stärkeren wäre
eine natürliche Regel.
Am Völkerdom lässt sich verdeutlichen,
dass wir Menschen diese Regel durchbrechen können,
wenn wir bereit sind, dafür zu arbeiten!
Sind die im Herbst gepflanzten Platanen einige
Monate an ihrem Platz, geht die Arbeit im zeitigen
Frühjahr weiter. Die Bäumchen werden
nun zu einem Gittergebilde mit rautenförmigen
Maschen verflochten. Hierzu muss ein provisorisches
Gerüst errichtet werden, das dabei hilft,
die Maschen gleichmäßig und das Gitter
senkrecht zu halten. An den Überkreuzungsstellen,
sofern sie gut verholzt sind, wird durch beide
Teile vorübergehend eine dünne Schraube
eingedreht. Sie gibt festen Halt, und an diesen
Stellen wachsen die Bäumchen nun innerhalb
weniger Wochen zusammen. Ohne die Schraube diesen
kleinen Zwang, den alle Stämmchen erdulden
müssen, und ohne die dadurch hervorgerufene
Verletzung, würde die Verwachsung, wenn überhaupt,
erst Jahre später stattfinden, für viele
der jungen Bäume zu spät!
Hier geschieht nun etwas Wunderbares: Die vorher
1350 Platanen auf der äußeren elliptischen
Pflanzlinie vereinigen sich durch ihr Zusammenwachsen
an vielen tausend Stellen zu einem einzigen Organismus.
Das gleiche geschieht mit den 120 Platanen des
inneren Rings, sodass aus vorher 1470 einzelnen
Pflanzen zwei große lebende Gebilde geworden
sind. An den Verwachsungsstellen fließen
die Pflanzensäfte nicht mehr nur in der gewohnten
Weise, nicht mehr nur von unten nach oben oder
umgekehrt, sondern auch kreuz und quer. Das heißt,
dass die starke Wurzel der einen Pflanze jetzt
auch die schwachen Triebe der benachbarten mit
Wasser und Nährstoffen versorgt, während
die saftigen Triebe des nächsten Bäumchens
verstärkt Sonnenlicht in die spärlicheren
Wurzeln des danebenstehenden schickt.
Ist es nicht das, was auch wir Menschen wollen?
Der Starke gibt den Schwachen, auf dass beide
Weiterleben können! Ist nicht das die Voraussetzung
für wahren Frieden?
In
den folgenden Jahren geht es nun darum, das Gittergebilde
in die Höhe wachsen zu lassen. Im Idealfall
können die Schrauben aus der fertigen Verwachsung
des Vorjahres herausgedreht und darüber zur
Fixierung neuer Rauten verwendet werden. Gewöhnlich
müssen diese aber im Holz verbleiben bis
die Kreuzungsstelle auch Bewegungen infolge starken
Winds auszuhalten vermag. Auch im Sommer muss
am Gitter gearbeitet werden, vor allem deshalb,
weil Austriebe starker Pflanzen zurückgeschnitten
werden müssen, um schwächeren Pflanzen
nicht zu beschatten. Überstarker Austrieb
wird bis auf 1 oder 2 kräftige Leittriebe
pro Pflanze reduziert.
Bald wird man ein neues Hilfsgerüst brauchen,
welches neben dem Fixieren des wachsenden Gitters
es auch ermöglicht, in zunehmender Höhe
arbeiten zu können. Bis auf etwa 12 m wächst
die Hülle des Völkerdoms (das Gebilde
auf der äußeren Pflanzlinie) senkrecht
empor, die des Herzes( Gebilde auf der inneren
Linie) bis auf 10 m. Dafür muss ca. 25 bis
30 Jahre gearbeitet werden. In jedem Winter muss
die frostfreie Zeit zum verflechten, anbinden,
verschrauben und beschneiden genutzt werden, während
in der Vegetationsphase von Frühjahr bis
Herbst, wo das Bauwerk belaubt ist , eher Erhaltungsmaßnahmen,
Kontrollen und begleitende Arbeiten und Vorbereitungen
auf den Winter erfolgen. Eine besondere Aufgabe
ist die Ausbildung der Eingangsöffnung. Nachdem
links und rechts neben der Aussparung in der Pflanzlinie
die Gitterwände bis in 8 Metern Höhe
senkrecht empor gezogen wurden, muss der Bogen
darüber ausgebildet werden. Die neuen oberen
Austriebe werden spitzbogenförmig zusammen
geführt, bis die beiden Enden der ellipsenförmigen
Gitterwand über der Türöffnung
zusammengeführt und zum verwachsen gebracht
werden.
Während oben die Trauflinie vervollständigt
wird, schließen sich unten infolge des Dickenwachstums
die ersten Maschen des hölzernen Gitters.
Spätestens jetzt muss man an die Fenster
denken. Sobald das Holz um die dafür vorgesehenen
Stellen gut verwachsen ist, die Maschen aber noch
offen sind, werden die Öffnungen, anders
als die Lücke für den Eingang, aus dem
Gitter herausgesägt. Zweckmäßigerweise
beginnt man damit im unteren Fensterbankbereich
schon einige Zeit früher, sodass sich das
Entstehen der 9 m hohen Fenster ebenfalls über
einige Jahre hinzieht. Die Sägewunden verheilen
bei Platanen schnell.
Oben beginnt ab der Trauflinie ein neuer Bauabschnitt.
Das Gerüst muss auf die neuen dreidimensionalen
Arbeitsbereiche erweitert werden, was einen nicht
unerheblichen Aufwand verlangt. Von jetzt an muss
man die Vereinigung der beiden Domteile, des Herzes
und der Hülle, ins Auge fassen. Das Binden,
Flechten und Beschneiden wird jetzt auf die ellipsenförmige
Firstlinie hin gerichtet sein. Hier zeigt sich
nun, dass sich die Fläche des Geflechts der
Hülle verkleinern, der Wachs also durch entsprechendes
Zurückschneiden etwas abgebremst werden muss,
während man das innere Geflecht des Herzes
trichterförmig erweitert.
Nur so kann das Dach entstehen, welches schließlich
den ringförmigen Raum überkuppeln soll.
Das Äußere soll kleiner werden und
das Innere größer. Ähnliches sollten
die Menschen zu Gunsten des Friedens auch bei
sich selbst anstreben. Das Oberflächliche,
das Materielle, die zur Schau getragene Fassade
von uns selbst muss schrumpfen. Das Gefühl,
die Herzensangelegenheit, die Gewichtung des Wesentlichen
im Menschen muss wachsen, damit beides sich finden,
sich in Harmonie vereinigen kann.
So bewegen sich die beiden Dachteile des Völkerdom
langsam aufeinander zu, bis sie schließlich
die gemeinsame Firstlinie erreichen. Dort werden
dann die Triebe ebenfalls verbunden und zum Zusammenwachsen
gebracht, und der Völkerdom besteht von nun
an nur noch
aus einem einzigen Organismus. Die äußere
Form dieses Lebewesens ist fertig, doch noch ist
das Dach löchrig. Aber mit der Zeit, in welcher
man den oberen Neuaustrieb nicht zu stark werden
lassen darf, werden auch die Maschen im Dachgeflecht
enger, bis schließlich eine geschlossene
Holzfläche den Innenraum des Völkerdoms
überspannt.
Doch welche Zeiträume sind hier notwendig?
Ein solches Denkmal hat es noch nicht gegeben.
Es braucht über 30 Jahre für die Wände,
60 Jahre bis zum First und mindestens 80 Jahre,
vielleicht auch 100 Jahre bis zum Schließen
der letzten Lücken. Genaue Angaben kann niemand
machen. Es gibt keine Erfahrungen mit dieser Art
des Bauens. Wir müssen sie schon selbst machen
und sehr wahrscheinlich etliche Rückschläge
und nicht geplante Versuchsarbeiten erdulden.
Ebenso ist es mit dem Frieden: Kein Mensch vermag
zu sagen, wann endlich Frieden geschlossen wird
unter den Völkern, und welche Umwege und
Irrwege dazu noch beschritten werden müssen.
Eines aber ist sicher: Wenn der Völkerdom
begonnen werden sollte, wenn viele Menschen über
viele Jahre daran arbeiten und lernen, die Schwierigkeiten
zu überwinden, dann wird er fertig werden.
Auch wenn in dieser Zeit Rückschläge
eingesteckt werden müssen, wenn man einige
Besonderheiten der Konstruktion erst während
der Entstehung vorgehenstechnisch löst, wird
dieses Sinnbild gelingen. Botanisch und organisatorisch
ist die Errichtung des Werks eigentlich kein Problem.
Die Kosten dafür spielen sich irgendwann
von selbst ein, weil immer mehr Besucher kommen
werden, die Geld zahlen wollen um staunen zu können.
Aus Neugierde wird echtes Interesse erwachsen,
denn dieses Denkmal verändert sich, wächst
empor, wird jedes Jahr prächtiger und schlägt
die Betrachter in seinen Bann. Man wird darüber
nachdenken müssen, Absperrungen aufzustellen,
weil eine zu starke Verdichtung des Bodens durch
Betrachter unmittelbar neben den Pflanzen für
das noch junge Gebilde schädlich sein kann.
Übers Jahr je nach Jahreszeit zeigt sich
der Bau in völlig unterschiedlichen Erscheinungen.
Wenn das Dach und die Holzflächen geschlossen
sind, wird der Austrieb über dem First nicht
mehr entfernt. Mit der Zeit wächst diesem
merkwürdigen Gebäude schließlich
und endlich auch noch eine richtige Krone, ähnlich
der einer frei gewachsenen Platane.
Das Wachstum des Völkerdoms hört natürlich
nicht auf. Die Wände werden immer dicker.
Die Krone überwächst irgendwann die
Marke von 40 Metern und der Austrieb an den unteren
Wänden läßt ganz nach. Der Eingang
und die Fensteröffnungen werden über
weitere Jahrzehnte hinweg immer kleiner. Man könnte
sich dazu entschließen, Gewandungen aus
Stein oder aus dauerhaftem Holz anzufertigen und
in die Öffnungen einwachsen zu lassen, um
das Dickenwachstum nach Außen und nach Innen
abzuleiten. Da die Stabilität dieser sonderbaren
Riesenpflanze die eines einzelnen Baumes weit
übertrifft, wird ein Alter von über
1000 Jahren leicht zu erreichen sein.
Der Völkerdom kann Kirche sein, Synagoge
und Moschee, Ort des Gebets und der Meditation
für alle Religionen und Ort der Ehrfurcht
und des Staunens für Menschen ohne Religion.
Ebenso sollte er Ort der Musik und der Sprache
sein, mit seiner sicherlich einzigartigen Akustik,
kurz gesagt Ort des Lebens und des Friedens.
CCR
|